Warum die ärztliche Schweigepflicht wichtig ist

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Unabhängig davon wer oder was am Absturz der Germanwings die Schuld trägt, ist medizinisch und menschlich dem Krankheitsbild der Depression großer Schaden zugefügt worden. Depression wird so eher von Betroffenen geheim gehalten werden. Der Normalbürger sieht ja Gefahrenpotential in diesem Krankheitsbild, er hat ja wenig Ahnung von der großen Bandbreite bei psychischen Erkrankungen.


Nach dem Airbus-Absturz wird ein essenzielles Patientenrecht infrage gestellt. Arbeitsmediziner Drexler verteidigt es vehement.

Der Absturz der Germanwings-Maschine hat nach Ansicht des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Hans Drexler, eine wenig qualifizierte bis sogar schädliche Diskussion über die ärztliche Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern ausgelöst. Für Drexler ist die erste und wichtigste Frage, ob durch eine gelockerte Schweigepflicht der Absturz hätte verhindert werden können. Nach Ansicht der meisten Fachleute sei das nicht der Fall.

Wenn man alle Menschen mit depressiven Episoden oder Suizidgedanken als nicht geeignet für Berufe mit potenzieller Drittgefährdung betrachten wollte – und das seien bei weitem nicht nur die Piloten von Flugzeugen –, wäre eine moderne Gesellschaft nicht mehr arbeits- und handlungsfähig, so Drexler. Darüber hinaus seien Aussagen zur Prognose immer unsicher. Ein unauffälliger Untersuchungsbefund heute garantiere noch lange keine körperliche oder seelische Gesundheit zu einem späteren Zeitpunkt.

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Es sei eine Illusion zu glauben, ein Arzt könne ohne Mitwirkung des betroffenen Menschen sicher und verlässlich körperliche oder seelische Erkrankungen erkennen. “Wenn durch eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Klient gestört wird, ergibt sich mit Gewissheit eine geringere Sicherheit für die Unversehrtheit von Dritten”, so Drexler.

http://derstandard.at/2000013730297/Depression-Warum-aerztliche-Schweigepflicht-Sicherheit-bringt?ref=rss

 

Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Schweigepflicht!

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Aktivismus ist der Lebensinhalt der Mediokratie. Kaum geschieht etwas, wovon profilierungssüchtige, aber ansonsten idealbefreite Hinterbänkler glauben Aufmerksamkeitsprofit abzwacken zu können, werden sie aktionistisch. Sie entfachen damit oft sinnlose oder sogar gefährliche Diskussionen.
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Gibt es Zwischenfälle, so müssen natürlich Konsequenzen gefordert werden. So ist das in einer postdemokratischen Landschaft, in der Politik in erster Linie bedeutet, sich medial hübsch in Szene zu rücken. Deswegen Konsequenzen. Weil es ja einen Anspruch darauf gibt, dass »etwas geschieht« – und man verlangt sie überdies, weil das die großartige Chance auf »15 minutes of fame« für manch abgehalfterten Parteisoldaten aus den hinteren Bänken darstellt. Und was dieses Schielen auf Aufmerksamkeit an Absurdität und Sprengstoff birgt, kann man im aktuellen Fall wieder mal beobachten.
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Nachdem die Chronologie des Absturzes der Germanwings-Maschine bekannt wurde, und der »Beileidstourismus« der Medienanstalten abgeklungen war, schlug die Stunde derer, die nur konsequent sein wollten. Politiker traten auf, die die ärztliche Schweigepflicht für »sensible Berufe« lockern möchten. Denn nur so könnte man einer solchen Katastrophe vorbeugen. In einem solchen Augenblick sieht man natürlich wie ein Macher aus. Einer, der sich nicht abfindet mit dem Status Quo, der dafür steht, dass es Wiederholungen dieser Machart nicht mehr gibt. Mit solchen Forderungen nach Konsequenzen wähnt man sich als Sieger. Aktionismus ist in einem System, in dem die Quoten über politische Karrieren entscheiden, eine geradezu existenzielle Angelegenheit. Wer phlegmatisch ist, gilt schnell als Schlafmütze und als einer, der kein Interesse an der allgemeinen Sicherheit hat.
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Die Forderung nach Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht in manchen Berufsgruppen ist auf drei Ebenen grotesk. Zunächst auf medizinischer oder pragmatischer Ebene. Dann noch auf der Rechercheebene. Und nicht zuletzt vom bürgerrechtlichen Blickwinkel betrachtet. Wer jetzt meint, dass eine Ärzteschaft, die Depressionen an die große Glocke hängen muss, noch lange depressive Patienten behandeln wird, der zeigt nur, wie wenig Stringenz in seiner Denkleistung steckt. Denn ein Pilot, der weiß, dass eine Depression den Verlust seines Arbeitsplatzes bedeuten könnte, der wird sich keinem Arzt mehr öffnen. Verhindert man so Katastrophen oder macht man sie faktisch noch wahrscheinlicher?
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Überhaupt ist die Debatte schlecht recherchiert und die Konsequenz-Politiker, die sich jetzt im allgemeinen Interesse sonnen, beweisen nur, dass sie laut schreien, wo sie leise nachlesen sollten. Ein gewisses Maß an Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gibt es schon. Sie ist an sich absolut. Aber Seuchen zum Beispiel müssen den Gesundheitsämtern gemeldet werden. Und auch, wenn ein Patient andere konkret in Gefahr bringt, kann ein Arzt seine Schweigepflicht brechen. Abstrakte Gefahren reichen hierzu aber nicht aus. Wenn aber beispielsweise ein alkoholkranker LKW-Fahrer seinem Arzt erklärt, dass er auch alkoholisiert seinem Job nachgeht, dann darf der Arzt seine Verschwiegenheit aufkündigen. Man nennt das einen »rechtfertigenden Notstand« und das Strafgesetzbuch hält ihn nur für »zulässig, wenn [sich] eine Güterabwägung ergibt, [sodass] der Bruch des Geheimnisses angemessen und geeignet ist«.

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Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Schweigepflicht

Gruß Hubert